interview


ein Film von Frank „esher“ Lämmer und Jo Preußler

Interview

von Katharina Kemmler mit der Moebius17 Crew

“Moebius17” ist ein Film über Graffiti ohne Graffiti. Abgesehen von einer kurzen Bombing-Szene zu Beginn wird mehr geredet als gesprüht. Ist Graffiti das Thema des Films oder der Background? Inwiefern beeinflußt Graffiti das Denken der Protagonisten? Sind es typische Sprüher-Charaktere?

Preußler: Auch wenn im Film nur wenig gesprüht wird, die meisten Aktionen der Protagonisten Einer und Anderer sind durch Graffiti motiviert. Wir haben versucht zu zeigen wie in Zeiten von virtuellen Schlachtfeldern in Computerspielen und digitaler Bildbearbeitung Jugendliche einem so antiquierten Hobby nachgehen, in dem man in wirkliche Untergrundsysteme klettert und sich schmutzig macht.

esher: Fast alle Mitwirkenden im Film sind selbst Writer, Graffiti ist das Millieu! Wir haben den Film etwas naiv nach der Methode “von uns, für uns” gemacht. In diesem Sinn hat man es mit zwei Originalen der Sprüherszene zu tun.

Inwieweit beeinflußt Graffiti die Ästhetik des Films? esher: Wir versuchen uns stilistisch zu emanzipieren. Die Graffitiästhetik ist eigentlich bunter und plakativer.

Preußler: Wir haben nicht eine bestimmte Ästhetik in die Filmsprache übersetzen wollen, für uns ist Graffiti selbstverständlich, wir haben eine surreale Welt erfunden.

Der Film ist schwarz-weiß, eher schwarz als weiß, es gibt keine Szenen, die tagsüber spielen. Was wollt ihr damit zum Ausdruck bringen?

Preußler: Ja eben eine Gegenwelt, in der Zeit und Raum nicht klar zu erkennen sind. Und eine Szene gibt es schon die den Tageshimmel zeigt, aber es ist eine Traumsequenz. esher: Der Film ist Science-fiction! Die großen leeren schwarzen Flächen geben viel Platz das Bild weiter zu denken, die Fiktion entsteht im Kopf des Zuschauers.

Warum die schräge Perspektive der Kamera?

esher: Emotional bedeutet sie die schiefe Ebene des Bewußtseins, nach Mix Rasta Müller, unserm Filmmusiker. Schräg, schief, vielleicht etwas verrückt. Der Fernseher, der Rechner oder die Leinwand, wo der Film läuft, sind Rechtecke, geben einen Rahmen vor aus dem ich ausbrechen will. Aber es gibt auch technische Gründe: Es war nicht immer genug Zeit ein Stativ aufzubauen, bzw. wurden wir mit Stativ oft vertrieben, das sieht halt nach Dreh aus. Ohne Stativ habe ich dann von Fahrkartenentwertern und Wänden gefilmt. Die beste Art die Kamera zu stabilisieren war das LCD-Display auszuklappen und dann schräg zu legen.

Ihr habt den Film ohne Genehmigung gedreht und nahezu ohne Budget. Kommt da eure Schmierer-Attitüde durch?

esher: Uns gibt doch keiner Budget, vor allem für sowas nicht! Die Filmindustrie ist ein geschlossenes Haus, ich als Außenseiter ohne Vorbildung finde nicht mal die Klingel! Aber selbst mit Budget hätten die öffentlichen Verkehrsbetriebe da nicht mitgespielt.

Preußler: Wir wollten es ja selber machen und uns nicht nach Geldgebern und Drehgenehmigungen richten.

Arno Funke alias Dagobert spielt diesmal eine seriöse Rolle, die des U-Bahnchefs. Was denkt er darüber?

Funke: Es hat Spaß gemacht mit den jungen Leuten zusammenzuarbeiten. Es war erleichternd, daß nicht die Dagobert-Geschichte im Mittelpunkt stand.

Preußler:  Arno ist ein Mensch der gerne lacht und überhaupt nicht abgehoben ist. Es war eine Herausforderung eine so nette Persönlichkeit in die Rolle eines korrupten Arschloches zu stecken.

Ihr deutet an, daß Bahnchef Himmel Steuergelder veruntreut habt und spinnt im Netz auf www.moebius17.de einen ganzen Kosmos mit den aberwitzigsten Verbindungen zwischen den einzelnen Figuren. Glaubt ihr an eine Verschwörung?

esher: Glauben? Wir sind davon überzeugt. Wenn man erst alle Fakten kennt, schließt man den Zufall aus!

Was fasziniert euch an dem originalen Möbius-Film, daß ihr ein Remake aus Sprayer-Perspektive für sinnvoll hieltet?

esher: Als ich den argentinischen Film gesehen habe, 1997, hat es irgendwie Klick gemacht, ein initiales Erlebnis auf emotionaler Basis, unbeschreiblich.

Preußler: Die deutsche als auch die argentinische Version sind zu empfehlen. Das Re-Remake aus der Writerperspektive – Halbwelt, Abenteuer in fremden Systemen, Züge, andere Dimensionen, usw. liegt auf der Hand!

Der Protagonist wird im Grübeln über den verschwundenen Zug verrückt – sind Verrücktheit, Andersartigkeit, nicht geläufige Gedankengebäude teil des Sprayer-Selbstverständnisses? Kann man den Film als Metapher für die Sprayer-Attitude lesen?

Preußler: Kann man. Die Welten zwischen denen viele Sprüher physisch und psychisch pendeln, könnte man als eine Fahrt auf einer Möbiusschleife beschreiben. Kann der Begriff Post-Graffiti auf den Film angewendet werden?
esher: Ich hoffe doch nicht. Graffiti ist und bleibt jung, weil immer neue Spinner dazukommen. Ich freue mich über schlechte Toy-Styles auf der Strasse, da weiß ich doch, da kommt immer wieder was neues nach!

Ihr seid selbst Sprüher. Wollt Ihr jetzt erwachsen werden?

esher: Wenn man in dieser Gesellschaft halbwegs mitspielt und nicht ganz auf Assi macht, ist das mit dem Alter automatisiert. Man kriegt als Heranwachsender immer gesagt, wenn Du älter bist, kriegst Du mehr Rechte, aber eigentlich gehts doch um die Pflichten! Tatsache ist, daß ich mich fühle wie ein Hamster, der den ganzen Tag in seinem Rad strampelt, abends bin ich zu müde, noch bomben zu gehen.

Preußler: Erwachsene Sprüher sind langweilig.